Sonntag, 8. April 2012

Ein Gedicht wirbelt auf (oder auch nicht)

Was bedacht werden muss

Lange war ich mit mir selbst nicht einer Meinung. Die Schnelligkeit mancher Reaktionen auf Grass und seinen bewussten Tabubruch "Was gesagt werden muss" fand ich bemerkenswert und verdächtig. Wollte er, was Kunst oft will, mit seinen Gedanken die Gedanken anderer aufwirbeln? Was ist daran falsch? Mir missfällt, dass er nicht beide Seiten gleichermaßen in die Pflicht nimmt.

Wer Kritik übt und dabei Dogmen zum Thema Israel/Iran bricht kann den Zustrom von reflexhaften Beifall der Rechten nicht verhindern. Dies provozierend hat Grass die Flanke offen gelassen. Augenscheinlich wollte er ein Gegengewicht vorlegen - ein Gegengewicht zu den, von vielen unkritisch betrachteten, aber aktuell sicher bewusst oder unbewusst aufbereiteten Nachrichten der Meinungsmacher. Aber er hat viel Legitimation eingebüßt, mit der Entscheidung, den arabischen Antizionismus nicht als Bedrohung des Existenzrechts Israels darzustellen. 
Wie kommt er auf das schmale Brett, dass nicht auch im Irak Nachrichten von Meinungsmachern aufbereitet werden? Hat er dabei intellektuell den Überblick verloren, warum so eskalierend? Der Sache des Friedens kann dieses Stück höchstens noch insofern nützlich sein, dass es den Blick der Welt auf Gefahren lenkt.

Die Welt ist nicht so schwarz/weiss, wie mancher Hardliner sie gern schminkt, wenn es seinen Absichten dient. Und nein, die Grundierung ist auch nicht braun, wie es verschiedentlich kolportiert wird, die Welt ist bunt. Doch im Licht einer einzigen Wellenlänge verschwindet jede Farbe. 
Es waren immer die Methoden der Eiferer, nicht ihre Ziele, die Verderben brachten. Da ist so ein einseitiges Gegengewicht auch nur geeignet, vorhandene Muster zu bedienen. 
Das Schlimmste an (religiösen & ideologischen) Eiferern auf allen Seiten ist die Abwesenheit von Zweifel. Bei Gläubigen stärkt Übereifer vielleicht noch Mildtat & Gnade, nicht aber empathische Toleranz und Respekt im Sinne einer aufgeklärten humanistischen Welt.

Grass ist ein denkbar ungeeigneter Ketzer (Waffen-SS-Makel) und auf die, die das mit diesem U-Boot eingerührt haben, auf die sei auch geschis...! Von Freunden verlange ich Kritik, auch unbequeme, unverblümt wahrhaftig - auch Verweigerung von Nibelungentreue, aber diskret - Zuspruch öffentlich! 
Zum Atomwaffensperrvertrag gibt es keine friedliche Alternative, und in ihm darf es keine 1. und 2. Klasse geben.

  • "Die Zivilisation scheint nur eine dünne Haut zu sein, die jederzeit zerreißen kann. Völkermord ist überall möglich. Dieser Satz hat in Sarajevo eine neue, schneidende Klarheit." - Bärbel Bohley
  • "Wer Frieden will, muss mit dem Frieden anfangen! Der Friede ist kein Ziel, er ist die Methode." - Mahatma Ghandi

Was im Umkehrschluss heißt, es gibt keinen Frieden nach dem nächsten Krieg, auf dessen
Nutzen man nicht verzichten will.

Was verstanden werden muss

Marcel Reich-Ranicki z.B., wer will beurteilen wie er fühlt?
Ich nicht, da bin ich völlig überfordert angesichts seiner Biografie. Ich wünsche Juden, Israel, dass sie die Kraft finden, sich vom Schatten des historischen Zivilisationsbruchs, des industriell organisierten Völkermordes Nazideutschlands zu emanzipieren, dass sie einen Weg zum Frieden in der Region finden! Und wer ihnen unterstellt, sie hätten eine kollektive posttraumatische Belastungsstörung, dem sage ich: Ja, und wenn?

Wer - wenn nicht sie hätten einen Grund dafür? Sie haben eine anerkannte Demokratie! Etwas, das sich sicher weiter entwickeln lässt, aber weiter entwickelt ist als in allen Nachbarstaaten.

Was ist los mit der arabischen Welt, dem Islam?
Ich wünsche mir, dass die arabischen Staaten ihr Trauma überwinden, das entstand, als Europäer sie entwürdigten, indem wir begannen in kolonialem Größenwahn ausgependelte regionale Gleichgewichte zu manipulieren, Grenzen willkürlich und rücksichtslos gezogen hinterließen, überall - auch in Palästina. Wir, die "neue und alte Welt" sind bis heute die Öl-Junkies, die jeden wählen, der günstiges Tanken glaubwürdig verspricht. Mehr oder weniger verdeckt wurde und wird interveniert, auch militärisch, wo dem Westen der Weg zum Öl gefährdet erscheint. Ich wünsche mir eine stolze, aber aufgeklärte arabische Welt, so etwas gab es mal im Mittelalter, damals waren wir die Barbaren.

Habe ich als Deutscher ein Recht dazu, all dies so frei zu denken, zu sagen?
Ich habe mir nie was darauf eingebildet, unter welchen Koordinaten ich das Licht dieser Welt erblickte, das wäre auch armseelig. Aber wenn es so etwas gibt wie eine historische Verpflichtung aus der Vergangenheit, dann diese: Selbst und frei denken und das Wort ergreifen!
Denn Autoritätsgläubigkeit, das Übertragen jeder Verantwortung auf vermeintlich Kompetentere, das nicht Hinterfragen des Untertans, das sehe ich noch immer überall, auch wenn "Geschlossenheit" für "Alternativloses" eingefordert wird. Doch das war es, was den Nationalsozialisten den roten Teppich ausrollte. Der Schoss ist fruchtbar noch...

Ich wünsche mir eine Welt, in der eine UNO wirklich jeden Staat wirksam maßregeln kann, der sich nicht an Standards hält, auf die man sich verständigt hat. Eine UNO, die erst auf dieser Grundlage den Respekt und die Macht hat, sowohl Israel, als auch Palästina zu schützen, die aber auch das Auftreten westlicher Mächte überwacht. Auch deshalb sollten wir alles daran setzen, vom Öl unabhängiger zu werden. Ja, ich weiß, das kann Wohlstand kosten, aber es öffnet so viele Perspektiven.9

Doch, ich habe Angst und sie ist größer als die Angst, hier Hohn und Spott zu ernten für vermeintlich naive Träume. Ich habe Angst, dass wir auf etwas zusteuern, dessen Ausmaß wir uns nicht vorstellen können. Und ich bin sicher, Israelis und Juden, Iraner, Syrier, Palästinenser, Araber, Christen, Muslime etc. haben auch Angst und Verantwortung. Auch sie sind sicher noch fähig, die Angst des Anderen zu spüren und ihre Verantwortung.

Doch das ist, was gefühlt werden muss, was dann folgt - ist Hoffnung.


Buchtipp dazu:

Der Tod ist mein Beruf - Robert Merle ISBN 2-0703-6789-4
Der Untertan - Heinrich Mann ISBN 978-3-596-13640-7

und viel Kant!

Sonntag, 26. Februar 2012

Der Kampf um den verfassungsrechtlichen Status des Netzes

Gilt der besondere Schutz der Wohnung auch für den mehr oder weniger voll verglasten "Wintergarten" in sozialen Medien, im Netz insgesamt?

Gefühlt ja, für die privaten Nutzer! Sie sind dort in zunehmenden Maße wie selbstverständlich präsent. Und sie übertragen normales "realweltliches" Verhalten im privaten Raum dabei auch ins Netz (ehemals Mitschnitte durch Audiokassettengeräte, Empfehlungen durch Vorspielen, CD-Verleih, Aufführung in privatem Rahmen). 
Die neue Infrastruktur setzt jedoch kaum Grenzen der Reichweite.
Aber umgekehrt dringen Shops, Werbung, Spam etc. Verkäufer und Schaufenster eben auch in den geschützten Raum des virtuellen Privatlebens ein. Spam flutet Postfächer.
Lange war das kein Problem, die Chancen bestanden und bestehen auf beiden Seiten. Muss man, um die Chancen zu nutzen, Abstriche von liebgewordenen, vermeintlich "wilden" Besitzständen machen? Beide Seiten werden virtuell zu neuen Kompromissen gezwungen. Die Nutzer empfanden es bislang als automatisch ausgeglichen.  

Nun jedoch versucht die Verwerter-Industrie auch mittels ACTA dieses, instinktiv als gerecht empfundene Gleichgewicht mit einem Rollback zu ihren Gunsten zu kippen. Derbes Geschütz wird aufgefahren, hanebüchene Argumente. Da werden die Zahlen privater CD-Kopien in entgangenen Umsatz umgerechnet, als hätte man für jedes untersagte Foto automatisch ersatzweise eine Ansichtskarte gekauft.

Anfang der 90er wurden in einer konzertierten Aktion die CD-Preise auf über 30,-DM fast verdoppelt und gehalten. Die Preise sind jedoch auf dem virtuellen Vertriebsweg im Bereich der legalen Downloads kalkulatorisch obszön hoch. Technischer  Fortschritt macht eine Musikproduktion auch eher günstiger als teurer. Diese Ignoranz der Marktmonopolisten schuf große Kreativität angesichts der neuen Möglichkeiten virtueller Welten und machte Filesharing erst richtig sexy. Eine echte Original-CD hätte auch zum Prestigeobjekt aufgebaut werden können. 
Aber so ist das bei Märkten, die sich durch GEMA, Kartellbildung großer Majorlabels und Verwerter vom Wettbewerb abkoppeln.

Man verweigert von Angst gesteuert die Evolution und provoziert die Revolution.

Wir stehen vor der historischen Aufgabe, für virtuellen Zonen verfassungsrechtliche Status zu definieren. Sie nehmen zunehmend bedeutenden Raum ein, im Leben einer zunehmenden Anzahl von Bürgern.
Der Staat sieht das Netz als öffentlichen Raum, wie Straßen und Plätze, der netzaffine Nutzer als Erweiterung seiner Wohnung und Privatsphäre. Kommerzielle Unternehmen sehen es als virtuelle Marktplätze und Schaufenster.

Der Kampf um die Deutungshoheit hat, für viele unbewusst, längs begonnen... ein notwendiger Prozess, eine breite gesellschaftliche Debatte, dem sich zunehmend demokratieverdrossene Politiker z. B. durch ACTA nicht entziehen können. 

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Warum ich Pirat wurde – Markus Schreiber und ein Zaun

Stresstest für die Streitkultur

Angemeldete Demonstrationen sind gelebte Demokratie außerhalb der Parteien und Parlamente. Besonders dann, wenn abseits der Wahltermine Bürger den Focus auf eine brennende Frage lenken wollen und Korrekturbedarf in der Politik sehen.
Politisch motivierte Straftaten, auch wenn sie Bezug nehmen auf berechtigte Proteste gehören aufgeklärt und bestraft. Gewaltbereite Trittbrettfahrer mit extrem verkürzten Gedankengängen, dafür haben wir Polizei und Staatsschutz.
Kein Demokrat darf sich einschüchtern lassen. Auch nicht von Verallgemeinerungen und der pauschalen Unterstellung, die Protestaktivisten wären geistige Urheber von Straftaten.
Das Recht zu demonstrieren ist ein unverzichtbares Lebenselixier der rechtsstaatlichen Ordnung, weil es ein niedrigschwelliger Weckruf an die Politik ist und bleiben sollte. Und dieses Recht lasse ich mir von Niemandem relativieren. Es ist nicht selbstverständlich, ich hatte ich nicht immer.

Im Gegensatz zu vielen Laufbahnpolitikern in den etablierten Parteien habe ich es mir erkämpfen müssen und hab auch was riskiert! 
Vor der ersten, wirklich gefährlichen Demo 1989 in der Schwerin haben wir das 4-jährige Kind nachmittags in die Obhut eines kirchlichen Kindergartens gegeben, mit rasendem Puls, voll Angst, was wohl passieren mag!
Dort war es üblich, friedfertigen Demonstranten "staatsfeindliches Rowdytum" zu unterstellen und SED-kritischen Demonstranten wurden mitunter sogar die Kinder von staatlicher Stelle weggenommen unter dem Vorwand, man habe sie abends vernachlässigt, während man Unruhe stiften ging.
Mir muss deshalb auch keiner erklären, dass nur gewaltloser Protest andere zum Denken anregt und zum Ziel führt. Und unsere Parolen in der DDR 1989 waren auch nicht vom Ponyhof.

Und noch was hab ich damals gelernt!
Unbegründet und hysterisch sieht das Ganze meist nur von oben aus, aus der Perspektive derer, die ihren komfortablen Status Quo nicht gefährden wollen. Ein Wählermandat ist ein Vertrauensvorschuss, kein Unfehlbarkeits-Attest.

Runder Tisch –Dialog?

Ich kann nur für mich sprechen. Hr. Schreiber hat den Zaun bauen lassen, im Alleingang. Und er hat von seinem Sprecher auch erklären lassen, er halte die Entscheidung trotz der Proteste noch immer  für richtig und werde dafür auch seinen Kopf hinhalten. Ich nehme ihn beim Wort, nicht mehr und nicht weniger!

Fakt ist, seine selbstgerechte Verweigerung eines echten Dialogs machte die Proteste groß! Fakt ist, er musste durch den Protest auch in den eigenen Reihen und der Presse erst gezwungen werden zum Dialog, nachdem die Hamburger Bürgerschaft Schreibers Zaun gewordene Law & Order-Regelwut als nicht tragbar beurteilte.
Die Meisten im Bündnis verstehen den runden Tisch als den Versuch, den Protest quasi in ein Abklingbecken zu verschieben, ihn von dem Rückhalt in der Bevölkerung abzuschneiden.  Das erklärt auch das hartnäckige Sendungsbewusstsein der SPD-Abgeordneten in den SozialNetworks und die dabei betriebene Verdrehung der Faktenlage. Die Massen sollen sich zerstreuen, Stuttgart 21 lässt grüssen.
Die SPD bleibt am runden Tisch als politische Partei unter sich. Selbst der Schlichter ist SPD-Parteimitglied und Teil der durchsichtigen Strategie..
Kirchliche Vertreter sind eine gute Zutat, aber keine Bürgervertreter und überrepräsentiert. Hinz & Kunzt ist dabei und das ist auch gut so.
Der St.Pauli Bürgerverein verdient den Namen nicht, er war schon 1999 gegen einen vorläufigen Stopp des Baubooms bis zur Fertigstellung eines übergreifenden Entwicklungskonzeptes für St.Pauli.
Klar, weil sie die gutbürgerlichen Hausbesitzer und nicht die Mieter repräsentieren. Aber auch Mieter sind Bürger, und Wähler.

Ausgrenzung + Gentrifizierung = allgemeine Verteilungsdebatte?

Der Zaun ist doch nur das auslösende Moment der Protestlawine. Zunehmend viele, wirtschaftlich nicht weiter belastbare Bürger geraten an die Schmerzgrenze und sehen, wie durch gezielt gefördertes Aufwerten ihr Heimat-Viertel für die besseren Kreise, Anleger, Investoren und Hausbesitzer quasi börsentauglich aufpoliert wird.
Die Mieten explodieren, dem kritischen Dialog zum Thema „Gentrifizierung, -Arme verlieren, -Reiche gewinnen“ verweigert sich die Bezirksversammlung in wechselnden Mehrheiten, weil mittlerweile alle großen Parteien daran mitgewirkt haben.
Und zum Argument, man wäre zu Law & Order quasi verurteilt um die rechte Flanke zu sichern, Schill profitierte auch vom Schock des 11.September, und davon trotz Absprache unter den Parteien weiter Wahlkampf betrieben zu haben, z. B. am Fähranleger Teufelsbrück.

Mehr Demokratie wagen

Die amtierenden Politiker erwecken nur den Anschein von aufrichtigem Dialog. Wahrhaftigkeit? Fehlanzeige! Sie verwalten Mehrheiten, Wahlprogramme und Lobbyinteressen, ihr Interesse gilt hauptsächlich der eigenen Machtabsicherung.

Die Bürgerrechte von Minderheiten sind für „Volksparteien“ nur relevant, wenn sie das Wahlkampf-Image bei den großen Zielgruppen sexy  machen. Seine Rechte und seine Stimme holt man sich vor Gericht oder auf der Strasse zurück, gewaltlos. Das allgemeine Ohnmachtsgefühl der Wähler drückt sich in den geringen Wahlbeteiligungen aus. Der ausufernde Überwachungsstaat tut sein Übriges, ein Bürger unter Generalverdacht ist ein Untertan.

Unser demokratischer Rechtstaat ist unvollkommen, Politiker sind keine Verfassungsrichter.
Sie sind gewählt worden um hoffentlich ihr Wahlprogramm umzusetzen, unter Wahrung der Bürgerrechte. Wir leben in einer Diktatur der populistisch gewonnenen Mehrheiten, die verfassungsmäßigen Rechte des Einzelnen geraten zunehmend unter die Räder der Mehrheitsbildung. Oft geht es um Beschwichtigung bis zu nächsten Wahlkampf, und dann zählen nur die Rechte derer, die Wählerquote bringen.

Und das motiviert mich, Werbung zu machen für die Pflicht zur Mündigkeit und das Recht zu wählen. Leider muss viel zu oft ein Gericht die Minderheitenrechte vor der Macht der Mehrheit schützen, wenn in Gesetzgebung und Anwendung die unveräußerlichen Rechte Einzelner angetastet werden. Wir benötigen dringend kleinere Parteien, die kleinere Bevölkerungskreise und Interessengruppen vertreten, -Koalitionen erzwingen.
Hr. Schreibers schwarz/weiss -Malerei spaltet, im Kampf gegen den Populismus übernimmt die SPD-Mitte seine Wesenszüge. Ich liebe die bunte, weltoffene Stadt Hamburg. Tolerant und undogmatisch differenzierend, integrierend, das war und sollte ihr Image bleiben! Ich ahne, dass das die Politik immer anspruchsvoll gestaltet.

Derzeit verhält sich das "Tor zur Welt" wie eine "Schleuse zur Welt".

Klarmachen zum Ändern!

Gegen Autoritätsgläubigkeit, für selbst gemachte Meinungen mündiger Bürger.

Samstag, 12. März 2011

Was soll mich beruhigen?

Tunnelblick - die teuerste Dividende aller Zeiten

Wie kaum ein anderes Land ist Japan technologiebegeistert. Ja, Technologie mutet dem westlichen Betrachter dort als Ersatzrelegion an.Erstaunlich auch die Tatsache, dass auch das Trauma der Atombombenabwürfe im II. Weltkrieg nicht zu einer pauschalen Abwendung von atomarer Technologie führte. Im Gegenteil, es scheint fast so, als wäre Japan mitten in einer Art gesellschaftskultureller Konfrontationstherapie mit Technologie, insbesondere Radioaktivität als Superlativ gefangen. Der Traum ist aus, das Trauma nicht.

"Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe." (Amtseid der Bundeskanzlerin Angela Merkel)
Wenn ich im Ladenbau etwas mit einem Stahlseil an die Decke hänge, dann muss ich mit einem Werkszeugnis bezüglich Bruchlastprüfung die Zulässigkeit nachweisen. Wenn das Werkzeugnis eine Mindestbruchlast von 125kg ausweist, dann ist eine Anwendung mit max. 25kg Nutzlast zulässig. (Faktor 5). Bei Anwendung z.B. in Bühnentechnik auf Massenveranstaltungen sogar nur 12,5kg (Faktor 10).
"Deutsche Kernkraftwerke sind gegen die bei uns zu erwartenden Erdbeben ausgelegt", sagt Jürgen Maaß vom Bundesumweltministerium. Ein Atomkraftwerk müsse das im Umkreis von 200 Kilometern größte je gemessene Erdbeben aushalten, erklärt der ehemalige Chef der Atomaufsicht in Deutschland, Wolfgang Renneberg.
1. Wo ist der Sicherheitsfaktor geblieben?
2. Was heisst schon jemals gemessen? Wie lange werden Erdbebenmessungen verlässlich protokolliert? Die Richter-Skala gibt es seit 1935, deutsche Kernkraftwerke bereits seit 1960. In welchen Zyklen treten große Beben auf? In welchen Zyklen treten grösste Beben auf?
Die Bundesregierung möchte einzelne Kernkraftwerke bis zu 60 Jahre in Betrieb halten. Die Laufzeitverlängerung ist bares Geld, jetzt, sofort.
Oft hört man: "Nach menschlichem Ermessen ist die Atomkraft in Deutschland sicher!" Dazu sage ich: Sicher ist allein, daß Menschen unvollkommen sind! Gut, nun sagen Einige, ein Restrisiko bleibt, aber die Betreiber sind ja sicher versichert. Ja! Tönt es beim Betreiber recht geschmeidig.

Unversicherbares Risiko

Meine Produkthaftpflicht-Versicherung geht bis 10.000.000 Euro Schadenshöhe, das ist das 50fache meines Jahresumsatzes. In Deutschland und in Österreich haften die Betreiber von Kernkraftwerken  in der Schadenssumme unbegrenzt. In der Praxis kann die Haftungsumme nicht höher ausfallen als das Vermögen der Betreibergesellschaften. Das Atomgesetz in Deutschland (§13) legt eine Deckungsvorsorge von 2,5 Mrd. Euro fest. Nun klingen die gleichen Fakten schon nüchterner. Aber was wollen die mit 2,5 Mrd. Euro bezahlen? Medallien und Beerdigungen für THW- und Katastrophenschutz-Mitarbeiter?
Quelle: Wikipedia

Was würde ein Tschernobyl in Westeuropa kosten? Wie berechnet man den Schaden einer Flächenverseuchung im Herzen Europas, die unvorstellbar lange Zeit andauert?

Quelle: Wikipedia

Laut einer Studie des schweizer Bundesamts für Zivilschutz würde eine Reaktorkatastrophe in der Schweiz Schäden in der Höhe von 4000 Milliarden Franken verursachen. Das wären dann 3100 Mrd. Euro... da ist er ja wieder, der Sicherheitsfaktor, die Betreiber haften, aber nur bis zum gesetzlichen Maximum. Die restlichen 99,92% kommen vom Steuerzahler. Das wäre die 1,5fache Höhe der gesamten aktuellen Staatsverschuldung Deutschlands.
Stellen Sie sich vor, sie bestellen Heizöl, der Fahrer flutet ihr Grundstück, verursacht einen Schaden von 100.000 Euro. Anschliessend bekommen sie von seiner Versicherung 80,-Euro, und das war es dann. Zu manchen Einsichten kann man auf erstaunlichen kurzen Wegen gelangen. Wo ist der konservativ-liberale Glaube an die selbstregulierenden Kräfte des Marktes geblieben? Was die Versicherungswirtschaft nicht versichern will und kann, das ist einfach nicht sicher, ganz einfach.
Aber Röttgen gibt Entwarnung! Röttgen gibt Entwarnung?

Argumente in Quarantäne schieben

Tschernobyl wurde quasi auf ein Bad-Bank-Konto gebucht. Das Argument wird der grundsätzlichen Debatte weitgehend entzogen, indem man ihm den Sarkophag namens "skrupellose, planwirtschaftlicher Misswirtschaft" überstülpt.
Für Fukushima wird dieser Sarkophag sicher "Erdbebenrisikogebiet" heißen. Aber ganz bewusst propagierten japanische Betreiber lange Zeit gerade die Beherrschung dieses Risikofaktors.
Sie gingen von Gefahrenannahmen aus, die von der Natur widerlegt wurden. Aber was ein Erdbeben kann, das kann auch ein Flugzeugabsturz, ein Meteorriten-Treffer! Wie hoch darf die Eintrittswahrscheinlichkeit eines so unfassbar großen Schadens sein? Wie anmaßend, zu glauben, so ein Supergau-Risiko wäre ausreichend gering, wie menschenverachtend!

Es gibt neue Bedrohungen, warum hat die Terrorabwehr keine Konsequenzen für alte Meiler?
Man stelle sich vor, das Internet wäre anders strukturiert, der Staat hat ein Monopol auf Webserver, baut 5 Serverzentren in Deutschland und privatisiert diese. Wäre das für den Nutzer günstiger, sich dort einzumieten?
Wäre so eine Monokultur sicherer gegen Angriffe durch Cyberkriminelle, oder würde der Reiz des grossen Ziels alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen ?

eigener Nachtrag: 
lt. http://www.eurosolar.de/de/index.php?option=com_content&task=view&id=514&Itemid=26
betragen die Kosten eines Super-Gaus in Deutschland 5.000 Mrd. Euro.
Auch andere Angaben in dem Artikel sind interessant, aber ungeprüft und ohne konkrete Quellenangabe.